Was ist eigentlich diese Theory of Change?
Die Klimakatastrophe. Wie viel Zeit bleibt noch, um das Ruder rumzureißen, die Weichen für die Eindämmung der Klimafolgen zu stellen und damit das Überleben der Menschheit zu sichern? Zehn Jahre? Zwölf Jahre? Oder doch etwas mehr? Womöglich sogar weniger? Wie können wir, als politisch Aktive, unter diesem Zeitdruck unsere Ressourcen effektiv einsetzen? Wie können wir uns mit wenigen finanziellen Mitteln und immer zu knapp erscheinender People-Power gut organisieren? Wie entscheiden wir uns in dem Potpourri von Strategien und Taktiken für den ‚richtigen‘ Weg? Und gibt es den überhaupt?
Fragen, die – seit ich in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv bin – immer wieder aufkommen und lebhaft diskutiert werden. Ein Konzept, das in letzter Zeit in diesem Zusammenhang immer öfter genannt wird, ist „Theory of Change“, zu Deutsch „Theorie des Wandels“ oder „Theorie der Wirkzusammenhänge“.
Das Konzept „Theory of Change“ wurde durch Carol Weiss und ihren Artikel Nothing as Practical as Good Theory (1995) populär. Laut dem Centre for Theory of Change ist seit Weiss‘ Aufsatz die Verwendung von Theories of Change in NGOs, Regierungsorganisationen, der UN und anderen Institutionen stark angestiegen (Center for Theory of Change o.J. a). Ursprünglich wurde die Theory of Change in der Evaluierung von Projekten im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und bei NGOs verwendet. Außerdem kommt sie in der Soziologie, hier meist als „Theory of Social Change“ bezeichnet, vor. Dieses soziologische Konzept ist schon deutlich älter und wird verwendet, um bereits geschehene Veränderung im Nachhinein zu beschreiben und zu erklären.
Eine Theory of Change in ihrer einfachsten Form lässt sich folgendermaßen veranschaulichen: Wir als Gruppe XY glauben, dass wir mit der Aktion A das Ziel B erreichen können, was ein Fortschritt hin zu unserer konkreten politischen Forderung C ist. Aus A wird B folgt C.
Die Theory of Change ist der Weg hin zu einem gewünschten Ziel C über bestimmte Teilschritte B. Die Wahl des Weges beruht auf Annahmen, laut welcher wir als Individuen oder Gruppe die Teilschritte B und unsere politische Forderung C am besten erreichen können. Wobei hier ‚am besten‘ sehr verschiedene Dinge heißen kann, von am schnellsten über am günstigsten bis hin zu am effektivsten. Grundlegend ist hier aber in jedem Fall, dass wir als Individuen oder Gruppe Theorien über Wirkzusammenhänge innerhalb unserer Gesellschaft aufstellen. Damit beinhaltet eine Theory of Change ein klares Bild des gewünschten Ergebnisses sowie eine Hypothese oder eine Annahme, wie mensch zu dem gewünschten Ergebnis kommt.
Aus einer Theory of Change lassen sich Strategien und Taktiken ableiten. Diese beiden Begriffe werden oft synonym verwendet, unterscheiden sich aber in ihrer zeitlichen Dimension: Wenn wir bei dem Bild von der Theory of Change als Weg bleiben, ist die Strategie das Fortbewegungsmittel, das uns unserem Ziel langfristig (Zeitraum von mehreren Jahren) näherbringt. Eine Strategie umfasst einen ausgearbeiteten Plan über das Vorgehen. Teil dieses Plans ist es, externe Faktoren, die in den eigenen Handlungsraum hineinspielen könnten, mit einzukalkulieren. Die Taktiken sind dabei hingegen die Werkzeuge, die zur Umsetzung der Strategie benötigt werden, also Handlungsweisen. Sie sind auf einen kurz- oder mittelfristigen Zeitraum ausgerichtet. In unserem Bild entsprechen sie der Fahrweise des Fortbewegungsmittels.
Zum Weiterlesen:
CARE International UK (2012): Defining Theories of Change. https://www. care.org/wp-content/uploads/2020/05/PSJ-2012-CARE-Defining- Theories-of-Change-document.pdf (27. September 2021).
The Center for Theory of Change (ohne Jahr a.): TOC Origins. https://www.theoryofchange.org/what-is-theory-of-change/toc-background/toc-origins/ (27. September 2021).
The Center for Theory of Change (ohne Jahr b.): What is Theory of Change? https://www.theoryofchange.org/what-is-theory-of- change/ (27. September 2021).
Strasser, Hermann und Randall, Susan C. (1974): Introduction to Theories of Social Change. London: Routledge Kegan & Paul.
Vaca, Sara und Dhillon, Lovely (2018): Refining Theories of Change. https://aea365.org/blog/refining-theories-of-change-by-sara-vaca-and-lovely-dhillon/ (27. September 2021).
Weiss, Carol Hirschon (1995): Nothing as Practical as Good Theory: Exploring Theory-Based Evaluation for Comprehensive Community Initiatives for Children and Families. In: Connell, James P. [et al.] (Hrsg.): New Approaches to Evaluating Community Initiatives. Concepts, Methods, and Contexts. Washington: The Aspen Institute, S. 65–92.