Nachwort

Ein kritischer Blick auf dieses Projekt

Wie so oft ist mensch hinterher schlauer. Rückblickend hätte ich in der Arbeit an dieser Broschüre gerne ein paar Sachen anders gemacht und dies möchte ich gerne mit euch teilen:

Genderbalance

Auch wenn dies in den Interviews vielleicht nicht ersichtlich ist, gibt es in der Genderverteilung kein Gleichgewicht. Fünf der acht Interviews stammen von Menschen, die ich als männlich lese. Von den meisten von ihnen weiß ich, dass sie sich auch selbst als cis-männlich bezeichnen.

Als mir das – leider erst sehr spät während der Arbeit an der Broschüre – auffiel, habe ich mich nach langem Nachdenken trotzdem dazu entschieden, die Broschüre in der jetzigen Form abzuschließen. Einerseits, weil mir der Seitenumfang schon recht groß erschien und andererseits, weil das Projekt bereits deutlich länger lief als ursprünglich geplant. Die Zeitressourcen, die ich für dieses Projekt eingeplant hatte, waren längst aufgebraucht und es wurde für mich immer schwieriger, für diese Arbeit Zeit zu finden und meinen anderen Verpflichtungen nachzukommen ohne mich zu überarbeiten. Auch wollte ich keines der Interviews weglassen, da ich sehr viel Zeit in jedes davon gesteckt habe und ich davon überzeugt bin, dass jede der Sichtweisen sehr wertvoll sein kann.

Daher ist mein – zugegeben recht pragmatischer – Lösungsansatz der folgende: Auf der unten angegebenen Website werde ich Interviews, die sich in Zukunft ergeben, online stellen. Bis sich die Genderverteilung zugunsten von FLINTA*-Personen verschoben hat, werde ich keine Interviews von cis-

Männern annehmen. Sprich: Für die nächsten drei Gespräche werde ich nur FLINTA*-Personen interviewen.

Weitere Diversitätskriterien

Das Alter der Personen, mit denen ich gesprochen habe, bildet ein breites Spektrum ab: Die jüngste Interviewperson ist unter 25 Jahre, die älteste über 75 Jahre alt. In Bezug auf weitere Bereiche, die gesellschaftliche Diversität umfassen, würde ich heute anders vorgehen. So ist keine der interviewten Personen aus dem Globalen Süden oder hat (jedenfalls soweit ich weiß) eine Migrationsgeschichte. Mir ist bewusst, dass dadurch viele wichtige Perspektiven nicht beleuchtet werden.

Auch auf Diversität in Bezug auf ethische und soziale Herkunft, Erfahrungen mit und Betroffenheit von Rassismus, Bildungshintergrund, finanzielle Situation, sexuelle Orientierung sowie Genderidentität, Religion und Weltanschauung, physische und psychische Gesundheit, Fähigkeiten, Persönlichkeit und Be_hinderung habe ich nicht explizit geachtet. Identität diesbezüglich war auch kein explizites Thema in den Interviews.

BIPoc, Frauen, Kinder, arme und gesellschaftlich benachteiligte Menschen sind diejenigen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und sein werden. Damit wäre es besonders wichtig, dass diese Stimmen im Zusammenhang mit Klimagerechtigkeit gehört werden.

Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung auf verschiedene Arten ist natürlich auch in emanzipatorischen und politischen Gruppen präsent. Die deutschsprachige Klimagerechtigkeitsbewegung ist sehr weiß und akademisch geprägt. Ein Großteil der hier versammelten Interviews ist auf Klimacamps geführt worden. Der Gedanke dahinter war, dass dort viele Menschen aus verschiedensten Gruppen zusammenkommen. Das war auch der Fall, allerdings spiegelt die Zusammensetzung von Menschen auf diesen Camps sehr stark den Durchschnitt der deutschsprachigen Klimagerechtigkeitsbewegung wider und ist damit nicht besonders divers.

Außerdem war diese Broschüre von Anfang an so konzipiert, dass sie sich ausschließlich auf die Klimagerechtigkeitsbewegung im deutschsprachigen Raum (Österreich, Schweiz und Deutschland) beschränkt. Das können Menschen berechtigterweise kritisch sehen.

Aktualität

Dass die Arbeit an der Broschüre mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde, war nie so geplant. Die meisten Interviews sind um die zwei Jahre alt. Hat sich in dieser Zeit nicht sehr viel verändert? Gerade durch

die Coronapandemie? Irgendwo schon, irgendwo auch nicht. Viele der interviewten Personen hätten sicherlich auch spannende Dinge zu den aktuellen Herausforderungen rund um die Pandemie zu sagen. Und gleichzeitig geht es bei Theories of Change meist um sehr tiefliegende Glaubenssätze und Wertesysteme in uns. Diese können sich natürlich durch so einschneidende Ereignisse wie eine Pandemie verändern. Doch auch wenn sich die individuellen Sichtweisen der interviewten Personen verändert haben sollten, glaube ich, dass die in den hier dokumentierten Gesprächen dargestellten Perspektiven innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung trotzdem nach wie vor vorhanden sind und deswegen einen spannenden Ausgangspunkt für Reflexionen bieten.

Es gibt sicherlich noch weitere Kritikpunkte an meiner Arbeit. Falls ihr Anregungen dazu habt, freue ich mich über eine Nachricht. Und natürlich freue ich mich, falls sich Menschen gerne für weitere Interviews zur Verfügung stellen wollen. Diese Interviews werden zunächst auf dieser Website veröffentlicht und bei einer zweiten Auflage auch zu der Broschüre hinzugefügt.